Was heißt denn „lebenswerte Stadt“?
Lebenswert ist eine Stadt, wenn sie für alle sicher ist, wenn die Luft sauber ist, wenn die Menschen arbeiten und zur Ruhe kommen können – und trotzdem alle die gleichen Chancen haben, entsprechend ihrer Bedürfnisse mobil zu sein. Dafür müssen wir den knappen Platz klug nutzen und Flächen umnutzen, die bisher für Autos reserviert sind. Dabei sind natürlich viele Interessen auszubalancieren. Denn klar ist: Nur wenn die Konzepte überzeugen, können sie erfolgreich sein.
Grundsätzlich arbeiten wir an einer Innenstadt mit weniger Autos – wollen aber, dass sie weiterhin für alle bequem erreichbar ist. Jeder Wagen, der nicht in die Innenstadt fährt, ist ein Gewinn. Bereits jetzt investieren wir stark in einen effizienten öffentlichen Verkehr und fördern massiv Carsharing sowie geteilte E-Scooter und -Fahrräder. Bisher haben wir 100 „Mobility Hubs“ mit vielen Sharing-Fahrzeugen eingerichtet, darunter viele an zentralen Punkten wie Bahnhöfen, Universitäten und Geschäftszentren. 2024 planen wir 100 weitere. Insgesamt stehen in Rotterdam derzeit 3.000 E-Scooter zur Verfügung und 2.800 Miet-Fahrräder – davon 300 Lastenfahrräder.
Außerdem bauen wir am Stadtrand Park&Ride-Angebote für Pendler aus. In einem Pilotprojekt mit der BMW Group haben wir Autofahrern eine Nachricht mit einem Park&Ride-Vorschlag geschickt. Dabei haben wir festgestellt, dass sie dem Vorschlag selten folgen, wenn sie ihre Fahrt vom Parkplatz am Stadtrand bis zu ihrem Ziel im Zentrum mit öffentlichen Angeboten nicht vorher planen können. Dafür brauchen wir eine entsprechende App. Die Park&Ride-Anlagen in Rotterdam werden aber auch alleine gut genutzt. Interessant war auch, was die Menschen zu Park&Ride-Angeboten in fremden Städten sagen, in denen sie sich nicht auskennen: Viele würden die Angebote gerade dort gern nutzen, wenn eine solche Vorab-Planung möglich wäre.
Das heißt, das Auto spielt in der Stadt künftig keine Rolle mehr?
Obwohl wir eine autofreie Innenstadt anstreben, brauchen wir auch in Zukunft Autos in der Stadt. Viele Menschen sind darauf angewiesen, etwa Alte, Kranke, Menschen mit körperlichen Einschränkungen, mit großem Gepäck oder Pendler, die ihr Ziel nur mit dem Auto erreichen oder nachts arbeiten.
Aus Studien der BMW Group in anderen Städten wissen wir, dass etwa 32 Prozent der Autobesitzer ihr Fahrzeug kaum aufgeben würden, weil sie es im Alltag brauchen und einfach gern fahren. Die werden wir schwer erreichen. Anders ist es bei fast allen anderen: 25 Prozent der Autobesitzer ist der Zugang zum eigenen Auto zwar wichtig, obwohl sie es im Alltag kaum brauchen und meist andere Verkehrsmittel nutzen. Und dann gibt es noch 33 Prozent der Autobesitzer, die es ebenfalls kaum nutzen und nicht mal sehr daran hängen. Wir haben also ein riesiges Potenzial.
Entscheidend ist natürlich, dass möglichst viele der verbleibenden Autos in der Innenstadt elektrisch und damit emissionsfrei fahren. Sehr erfolgreich war ein Projekt mit der BMW Group mit „eDrive-Zonen“ in der Innenstadt. Wenn ein Hybrid BMW von außerhalb in diese Zone fährt, schaltet er automatisch in den Elektro-Modus. Wie überzeugend und sinnvoll solche Zonen sind, zeigt sich daran, wie schnell sie über Rotterdam hinaus skalierbar sind: Mittlerweile gibt es sie in 153 europäischen Ballungsräumen.
Damit die Stadt für Elektrofahrzeuge attraktiv ist, müssen wir die Lade-Infrastruktur natürlich gewaltig ausbauen.