Während im BMW Group Recycling- und Demontagezentrum Vorserienfahrzeuge zerlegt werden, entsteht neues Recycling-Wissen, um maximale Effektivität zu erreichen.
Das Ende eines Auto-Lebenszyklus ist kein Anblick für Autoliebhaber mit schwachen Nerven: Metall ächzt, Glas zerspringt. Ein Bagger umklammert den Motorblock. Ein Ruck, ein paar umherfliegende Teile, und das ehemalige Herzstück eines BMW hängt in der Luft.
Doch dabei bleibt es nicht. Der Bagger wechselt das Zerlege-Werkzeug, dann entfernt er das Dach des Wagens und zieht die Sitze, die Polsterung, das Armaturenbrett heraus. Mit fast chirurgischer Präzision ergreift er den vorderen Teil des Kabelbaums und rollt das bunte Kabelgewirr auf, bis das Bündel unter dem Baggerarm baumelt.
Im unscheinbaren Industriegebiet im Münchner Vorort Unterschleißheim durchlaufen mehrere Tausend Autos jedes Jahr diesen Prozess. Seit 1994 werden in den Werkstätten vor allem Vorserienfahrzeuge, nicht zum Verkauf zugelassene Einzelstücke aus Erprobung und Entwicklung, zerlegt und anschließend verwertet.
Wie man drei Kilometer Kupferkabel aus einem Fahrzeug zurückgewinnt
Im Rahmen der Kreislaufwirtschaft befasst sich das Zentrum aber nicht nur mit Recycling, sondern auch mit der End-of-Life-Phase von Fahrzeugen. Wie können sie in Zukunft schneller, effizienter und werthaltig recycelt werden und wie müssen sie konstruiert sein, damit möglichst viele ihrer Komponenten wiederverwendet, repariert oder aufgearbeitet werden können? Moderne Autos enthalten allein zwischen eineinhalb und drei Kilometer Kabel, allesamt hauptsächlich wertvolles Kupfer. Andere Teile sind reich an Aluminium, der Katalysator enthält Platin, Rhodium und Palladium. Diese Materialien können alle recycelt werden. Die BMW Group gewinnt im RDZ wertvolle Erkenntnisse darüber, wie man den Recyclingprozess effizienter und effektiver gestalten kann.
Spezialwerkzeuge für spezielle Aufgaben – damit nichts verschwendet wird
Nachdem aus Fahrzeugen mit elektrischem Antrieb die Hochvoltbatterie zur weiteren Verwertung entnommen wurde, geht es ans Eingemachte. Ein lauter Knall. Zuerst zünden die Experten die Frontairbags, dann die Seitenairbags, dann die Gurtstraffer und schließlich die Batterieklemme. Das Innere des Wagens ist voller Rauch, es riecht nach Feuerwerk. Die Pyrotechnik, die sich in allen Fahrzeugen befinden, ist nun, wie gesetzlich vorgeschrieben, neutralisiert worden. Das RDZ hat dafür ein spezielles Werkzeug entwickelt. Schließlich werden alle Flüssigkeiten, wie z.B. Wischwasser, Bremsflüssigkeit und Kühlflüssigkeit abgelassen und kommen innerhalb des RDZ erneut zum Einsatz.
Was jetzt noch übrig ist, landet in einer orangefarbenen Schrottpresse. Es splittert, knirscht, ächzt. Sogar der Boden vibriert unter der 300-Tonnen-Presse. Übrig bleibt ein kühlschrankgroßer Würfel. Dieser wird an ein externes Recyclingunternehmen zur Zerkleinerung geschickt: Dort werden die meisten der darin enthaltenen Materialien geschreddert, getrennt, gereinigt und in weiteren Verwertungsschritten eingeschmolzen und schließlich in die jeweiligen Sekundärstoffkreisläufe zurückgeführt. Mit dem Metallwürfel hat der Automobilhersteller seine Verpflichtungen erfüllt. Der Gesetzgeber schreibt vor, dass 85 Prozent eines Fahrzeugs recycelbar und volle 95 Prozent verwertbar sein müssen, wozu auch die thermische Verwertung zählt.
Kenntnisse werden mit 3.000 Verwertern weltweit geteilt
Das Hauptziel des RDZ ist es, die effektivsten und schnellsten Wege zu finden, um Fahrzeuge am Ende ihrer Nutzungsdauer – im Durchschnitt etwa 21 Jahre – zu verwerten. Die dafür erforderlichen Schritte werden in einer mittlerweile herstellerübergreifenden Datenbank erfasst, zu der 3.000 Verwerter in 41 Ländern kostenlos Zugang haben. Diese Unternehmen sind für das Funktionieren der Kreislaufwirtschaft unverzichtbar: Die Verwerter müssen in der Lage sein, mit möglichst geringem Aufwand die recyclebaren Teile zu entfernen und möglichst viele Materialien zurückzugewinnen. Die Kosten und die Fähigkeit, die Materialzusammensetzung zu erkennen, sind entscheidende Faktoren im Recyclingprozess.
Kosten oder Nachhaltigkeit? Das ist die Frage, die Alexander Schüll, Leiter des RDZ, nicht mehr stellen möchte. „Nachhaltigkeit bedingt Wirtschaftlichkeit – und umgekehrt. Das ist Schlüssel und Ausgangspunkt für Fortschritte in Richtung Ressourcen Schonung und Emissions-Reduzierung. Nur dann haben wir ein wirklich zirkuläres Wirtschaften und langfristigen Erfolg".
Der Erfolg wird nur mit einer kreislauforientierten Denkweise einsetzen
Deshalb bietet das RDZ Führungen an – auch Mitarbeitenden anderer BMW Group-Abteilungen, die die Rahmenbedingungen und Abläufe des Demontage- und Recyclingprozesses und seiner verschiedenen Kreislaufansätze noch besser verstehen müssen, gehören dazu. „Nur wenn wir bei der Produktentwicklung zirkulär vorgehen, wenn die Denkweise zirkulär ist, werden wir ganzheitliche Lösungen zur Steigerung des Wiedereinsatzes und der Weiterverwertbarkeit für anspruchsvolle Einsatzzwecke erreichen", sagt Schüll.